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54 WOHNEN WELT AM SONNTAG NR. 22 28. MAI 2017
S Kleine Holz-Dome grenzen JASPER SANIDAD/CALLWEY VERLAG
beim Softwarehersteller
Soll sie heute in den „Ocean“, in den Arbeits-TRÄUME Cisco in San Francisco
„Jungle“ oder doch lieber zu den Ele-
fanten in die Savanne? Wenn Petra We- Viele Bürokonzepte in Deutschland sind überholt. Es kommt längst nicht mehr darauf Ruhe- und Gesprächszonen
ber morgens das Büro betritt, muss sie an, möglichst viele Tische in einen Raum zu stellen. Stattdessen sollten Planer und vom Großraum ab
einen Augenblick überlegen, in welche Architekten für verschiedenen Tätigkeiten die passenden Räume schaffen. Auch
Richtung sie nun gehen soll. Auch wenn Ruheräume gehören dazu – finden die Autoren von „Space for Creative Thinking“ Buchs, gewährt Einblicke in die langfris-
es so klingt – sie arbeitet nicht etwa in tige Planung seiner Arbeitsstätten auch
einem Tierpark. Sondern bei einem Im- CHRISTIAN BEUTLER/CALLWEY VERLAG PETER WUERMLI/CALLWEY VERLAG in Deutschland. Gut 15 Jahre seit Ein-
mobilienfondsmanager. Ihr Arbeitge- führung des Großraumbüros hierzulan-
ber, Bouwfonds Investment Manage- Intensive Farben und Haptik sorgen bei Easycredit in Nürnberg für Abwechslung Mondäne Holzverkleidung bei Google in Dublin: Leder für die digitale Generation de stellt Drees & Sommer fest: Einen
ment, hat seine 1000 Quadratmeter Haufen Tische in riesige Räume zu stel-
große Zentrale im Berliner Bikinihaus MAXIMILIAN MEISSE/MMRTG ARCHITEKTEN PETER WUERMLI/CALLWEY VERLAG len und statt Trockenbau- einfach Glas-
in verschiedene Bereiche gegliedert wände einzubauen, ist passé.
und die Designs dem direkt benachbar- Bunte Lounge am Breitscheidplatz: das Bouwfonds-Büro, gestaltet von mmrtg Architekten Bei Google in Zürich dagegen nutzen Mitarbeiter ein paar Gondeln für ruhige Telefonate
ten Berliner Zoo gewidmet: grüner Tep- Martin Eberhardt, Geschäftsführer
pich, grüne Sideboards, echte Farne von Bouwfonds Deutschland und lei-
und satinierte Muster in den Glaswän- denschaftlicher Nutzer des Büros in
den, dazu großformatige Löwen- und Berlin, kann sich gar nicht mehr vorstel-
Leoparden-Kunstfotos machen den len, wie man jemals anders arbeiten
Dschungel aus. Der Farbton Beige be- konnte. „Wir bieten jedem Mitarbeiter
zeichnet die Savanne, und Blau, klar, genau den Arbeitsplatz, den er gerade
herrscht im Ozean vor. braucht“, sagt er. Mit einem kleinen
Projektteam entwickelte er das Büro-
VON KATRIN VON RAGGAMBY konzept im Bikinihaus, das von mmrtg
UND MICHAEL FABRICIUS Architekten umgesetzt wurde. Der hol-
ländische Mutterkonzern von
Für Petra Weber sind die Themen- Bouwfonds, die Rabobank, pflegt schon
welten nur eine hübsche Nebensäch- länger ein eigenes Prinzip des neuen Ar-
lichkeit. Ausschlaggebend für die Wahl beitens. „Het nieuwe Werken“ heißt es
eines der 40 Schreibtische ist vielmehr schlicht. Damit verbunden sind verän-
ihre Aufgabenliste: „Welches Team un- derte Abläufe. Nur zwei Anwesenheits-
terstütze ich heute? Ist der Chef da? tage pro Woche müssen eingehalten
Muss ich Reisekostenabrechnungen ma- werden, Dienstag und Donnerstag. An
chen und brauche eher Ruhe und Kon- den anderen Tagen können Dienstrei-
zentration? Je nachdem, was ansteht, sen unternommen werden. Wer mag,
suche ich mir einen passenden Arbeits- darf auch im Homeoffice arbeiten. „Alle
platz“, sagt die Assistentin des Ge- Spezialisten machen ihre Arbeit – das
schäftsführers. Dann holt sie ihre Box Büro ist dafür da, das Know-how wieder
mit Stiften, Notizbuch und anderem zusammenzuführen“, so Eberhardt. Das
Büro-Kleinkram aus ihrem Schrank, Büro ist kein Arbeitsplatz, sondern ein
wählt einen Platz mit City- oder Zoo- Kommunikationsraum.
Blick, je nach Fensterseite des offenen,
aber geschickt unterteilten Großraums, Allerdings einer, der groß und teuer
klickt das Notebook in die Dockingstati- wirkt. Ein Controller, der die Bilder in
on, holt ihr Smartphone raus – und legt „Space for Creative Thinking“ betrach-
los. Papierstapel, Familienfotos oder tet, dürfte zunächst einen Schreck be-
gar Maskottchen auf dem Tisch – so et- kommen. Doch in Wahrheit ist die
was gibt es hier nicht. Raumausnutzung unter dem Strich effi-
zienter als beim alten Ein-Tisch-eine-
Diese Clean Desk Policy ist Grundvo- Person-Konzept. Bei Bouwfonds benö-
raussetzung für gemeinsame Schreibti- tigt man im Vergleich zur herkömmli-
sche und flexible Plätze. Sie sind die Bü- chen Aufteilung rund 20 Prozent weni-
ro-Organisationsform des 21. Jahrhun- ger Fläche, auch weil die Abwesenheits-
derts. Arbeitsplätze werden immer häu- planung effizienter als früher funktio-
figer nicht mehr nach Personen, son- niert. Gleichzeitig beobachtet Eberhardt
dern nach Tätigkeitsfeldern gegliedert. einen Effekt, der mit den Angestellten
Es gibt die formelle Kommunikation in nichts zu tun hat: Potenzielle Mitarbei-
Besprechungsräumen, konzentrierte ter, Kunden oder Gäste sind stets be-
Arbeit in Ruhezonen mit Handy- und geistert. Die Räume machen Eindruck –
Sprechverbot, eigene Telefonsessel und das ist gut fürs Geschäft.
oder Telefonboxen und das Nebenbei-
Gespräch, das an der Kaffeebar stattfin- Christine Kohlert,
det. Für jeden Moment das passende Scott Cooper:
Umfeld. Auch Platz für Freizeit sollte Space for Creative
sein. Für manche gehört eine Tischten- Thinking.
nisplatte oder der Kickertisch dazu, 256 Seiten,
weiter verbreitet sind allerdings kleine Callwey Verlag,
Cafés mit Loungemöbeln. 59,95 Euro. ISBN
978-3-7667-2267-6
Wie so vieles kommt der Leitgedanke
aus innovativen Tech-Unternehmen in
den USA. Im Silicon Valley, bei Google,
Cisco oder Facebook, hat man schon
vor Jahren erkannt, dass die alten
Schreibtischtraditionen überholt sind.
Dass sich viele Mitarbeiter in kreativ ge-
stalteten Büros nicht nur wohler fühlen,
sondern auch produktiver sind. In ih-
rem neuen Buch „Space for Creative
Thinking“, vor Kurzem erschienen im
Callwey Verlag, haben die Autoren
Christine Kohlert und Scott Cooper
zwanzig spektakuläre Beispiele aus den
USA und Europa gesammelt. Sie zeigen
echte Denkschmieden, erläutern die
Philosophie dahinter und geben konkre-
te Planungstipps, ergänzt um Experten-
Interviews. Ein Standardwerk für Bü-
roplaner, Architekten und Designer.
Das moderne Büro ist demnach kein
Ort des Sitzens mehr, sondern der Be-
wegung. Leichte, verstellbare Möbel ge-
hören hinein, viel Tageslicht, Mini-Höfe
und -Plätze und gewisse Laufstrecken
zwischen den Arbeitszonen. Pflanzen
können sein, müssen aber nicht. Und
wenn, dann werden sie professionell ar-
rangiert und versorgt. Rund ist besser
als eckig, hell ist besser als dunkel, und
vor allem: Einmal alleine in der Ruhezo-
ne zu sitzen ist nicht verpönt, sondern
gewollt. Der Immobiliendienstleister
Drees & Sommer, Mitherausgeber des

